Michael K. Iwoleit:
Psyhack
Mitte des 21. Jahrhunderts. Marek Yanner hat einen
einträglichen Job. In den Slums irgendwelcher
Dritte-Welt-Megalopolen treibt er junge Mädchen auf,
in deren Gebärmüttern er wertvolle Ware heranzüchtet:
Ersatzorgane für die wenigen Reichen dieser Welt. Dass
die meisten Mädchen bei der Prozedur sterben, wird als
Kollateralschaden in Kauf genommen. Nach Aussage
seines Auftraggebers hat Marek nur einen Fehler:
nämlich ein Gewissen. Doch das plagt
ihn nicht allzu lange - wird er doch nach jedem
Auftrag einer Mnemotomie unterzogen, einem kompletten
Austausch seines Bewusstseins. Danach ist Marek quasi
ein neuer Mensch, der sich nur noch an die Dinge
erinnert, die er für den nächsten Auftrag braucht.
Doch beim letzten Eingriff ist etwas schiefgelaufen.
Erinnerungen an Kinder in einem irischen Krankenhaus
peinigen ihn. Als Marek bei einem fingierten
Vorstellungsgespräch außer Kontrolle gerät, wird ihm
klar: Er wurde Opfer eines Psyhacks. Das implantierte
Bewusstsein enthielt ein Virusprogramm, das sich auf
ein äußeres Signal hin aktivierte.
In »Psyhack« geht es um das Thema Identität. Für Marek
Yanner stellt sich das Problem in verschärfter Form,
denn für ihn geht nicht nur darum, die eigene
Vergangenheit anzunehmen. Yanner muss seine
Vergangenheit erst einmal finden, sie ist ihm durch
die Bewusstseinstransfers abhanden gekommen. Es stellt
sich auch die Frage nach der Verantwortlichkeit des
Einzelnen in einer Welt, in der Bewusstsein und Seele
quasi am Reißbrett manipuliert werden können.
MichaelK. Iwoleit verpackt diese philosophischen
Fragen in eine packende Thriller-Handlung. Vom
ersten Satz an zerrt er den Leser in eine Welt hinein,
in der ein Menschenleben soviel wert ist, wie der
Besitzer dafür zahlen kann. Doch das ist nur der
Einstieg zu einer temporeichen „tour de force“ auf der
Suche nach der Vergangenheit und einer lebenswerten
Zukunft, spannend bis zum Schluß.
Michael K. Iwoleit ist unbestritten der Meister der
deutschen SF-Novelle. Nach »Wege ins Licht« und »Ich
fürchte kein Unglück« ist »Psyhack« bereits der dritte
Text dieser Gattung, der mit dem Deutschen Science
Fiction Preis ausgezeichnet wird. Waren seine
Protagonisten bislang Ausnahme-Individuen – ein
ungewollt Unsterblicher bei »Wege ins Licht« bzw. ein
wissenschaftliches Genie in »Ich fürchte kein Unglück«
– ist der Held von »Psyhack« ein ganz normaler Arzt,
der die Welt ein wenig besser machen will und sich
dabei auf tragische Art in kriminelle Machenschaften
verstrickt.
Im Jahr 2005 wurden etwa 150 deutschsprachige
SF-Kurzgeschichten publiziert. »Psyhack« von Michael
K. Iwoleit ragt aus dieser auch qualitativ starken
Konkurrenz hervor. Deshalb wird ihm der »Deutsche
Science Fiction Preis« für die »Beste Kurzgeschichte«
verliehen.
Dr. Ralf Bodemann
- für das Preiskomitee -
Juni 2006
Laudatio zum Roman 2006