Seit
Monaten verschwinden Raumschiffe der L-Reihe auf dem Weg zur Erforschung
eines Sternhaufens - spurlos. Erklärungen für das plötzliche
Abbrechen des Funkkontaktes gibt es nicht.
Im Kommandoturm des Raumfahrtzentrums herrscht helle Aufregung. Die Raumfahrt
gilt als sicher, die Geheimnisse des Alls als gelöst, der Flug in
den Weltraum ist zwar noch mit Anstrengungen verbunden, aber doch langsam
zur Routine geworden. Nun aber gibt es diese Pannen.
Technisches und menschliches Versagen können ausgeschlossen werden, auch Sabotage
kommt nicht in Frage. "Es gibt keine Geheimnisse des Weltalls...", behauptet
ein Mitglied des Krisenstabs vermessen, und so macht man sich mit Hilfe
eines vergreisten Forschers, einer neuartigen Schutzlegierung für
den Rettungskreuzer und zweier unerschrockener Astronauten auf den Weg,
die verlorenen Schafe heimzuholen.
Das Schiff erreicht die Stelle, an der die anderen verschwanden. Und ein Funkspruch
erreicht die Erde: "Es klingt unglaublich, aber ich vermute..."
Was denn? Furchterregende Aliens schleimen den Rettungskreuzer voll... Der
Sternhaufen entpuppt sich als lebendes Wesen, das die Raumschiffe zum Mittagessen
verspeist... Ein gigantisches schwarzes Loch zieht die Schiffe an und gibt
sie nicht mehr frei... Die verschwundenen Raumschiffe sind alle da, und
die Besatzungen feiern miteinander eine heiße Party...
Oder?
Der Funkkontakt bricht ab. Ein paar SOS-Signale erreichen die Zentrale. Die
Story ist aus.
Der Autor tut etwas, was viele - vor allem angloamerikanische - Autoren vermeiden.
Egon Eis nutzt das Genre der Kurzgeschichte, eines literarischen Mediums,
in dem es nie zur vollen Beschreibung einer aus eigenen Ideen entstandenen
Welt, einer Gesellschaft, einer Philosophie kommen kann, um den Leser auf
die Folter zu spannen und zu foppen. Nicht nur daß die ersten Raumschiffe
unter mysteriösen Umständen verschwinden, nein, der angloamerikanisch
vorgebildete (und durch TV und Kino weiterhin vorbelastete) Leser erwartet
nun eine kurz angesetzte Lösung von einer gewissen Intelligenz. Und
ganz sicher erwartet er eine Lösung.
Und genau die enthält uns der Autor vor. Für diesen Schritt, der
einen Autor fast unbeliebt machen könnte, für diese Idee, die
vielleicht die einzige ist, mit der man einen SF-Leser noch überraschen
konnte, gebührt ihm unserer Meinung nach der Preis.
Jutta Haitel
- für das Literaturpreiskomitee -
Laudatio zum Roman '92