»Galdäa – Der ungeschlagene Krieg« von Karsten Kruschel
Wurdack Verlag, ISBN-13 978-3-938065-72-3
Menschliche, umweltangepasste Wesen, mysteriöser als manche Aliens. Dies sind einige der Protagonisten aus dem Roman »Galdäa – Der ungeschlagene Krieg« von Karsten Kruschel.
Ungewöhnliche Einzelschicksale der drei Hauptfiguren Ja‘ana Hakon, Michael Sanderstorm und Markus Hataka, aus deren Sicht abwechselnd erzählt wird, werden gekonnt zu einer spannenden Geschichte verwoben.
Ja‘ana Hakon, eine Galdani, misshandelt und gefangen gehalten nach einem Jahre zurückliegenden und aus Sicht der Menschheit beendeten Krieges gegen ihrem Heimatplaneten Galdäa. Eine vermeintlich Außerirdische, die verschiedene Persönlichkeiten in sich beherbergt. Je nachdem, welche dieser Persönlichkeiten die Herrschaft über ihren Körper ausübt, agiert sie als Analystin, Gespielin, Telepathin oder Kämpferin mit jeweils unterschiedlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Ähnlich eines inneren Monologes kommunizieren die einzelnen Persönlichkeiten miteinander.
Der Student Michael Sanderstorm auf der Suche nach der Wahrheit hinter einem fast vergessenen Krieg. Unbeabsichtigt legt er das Computernetzwerk der Menschheit lahm und ist damit Teil eines sich langsam ausbreitenden Chaos. Er deckt schließlich in seiner Diplom-Arbeit die Kriegsverbrechen der Menschheit und einzelner Kriegsbeteiligter auf.
Und als Dritter Markus Hataka, der geniale Komponist mitten in einer Schaffenskrise. Er hilft Ja‘ana Hakon, die ihn vor Jahren von seiner Drogensucht befreit und damit vor dem sicheren Tod bewahrt hat, bei ihrer Flucht. Erst mit Geld und später, nachdem er ein Attentat auf sich selbst übersteht, auch unter Einsatz seines Lebens.
Karsten Kruschel führt diese Figuren geschickt durch seinen Plot. So entwickelt sich eine Space Opera, die zusammen mit den bereits 2010 mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichneten Vilm-Romanen den Keim zu einer Zukunftshistorie nach klassischen Vorbildern in sich trägt.
Nicht nur die Hauptpersonen, sondern auch die Nebenfiguren machen die Lektüre spannend und unterhaltsam. Eveline, die Nachbarin des Komponisten Markus Hataka und ihr manchmal tödliches Chili, Mikko, Anführer einer Gruppe Unterdecksarbeiter eines dubiosen Reparatur- und Frachtraumschiffs als Gegenfigur zu Ja‘ana Hakon in Gestalt der menschlichen Tarnidentität Veruca Salt oder Kaddok, Ja‘anas Helfer bei ihrer zweiten Flucht von einer Orbitalwerft, ein sensibler Riese von einer kalten Welt mit hoher Schwerkraft. Gerade in diesen Passagen werden die Stärken des Romans, die das Preiskomitee zur Prämierung veranlasst haben, deutlich: Sprachlich ausgefeilt dargestellte Charaktere und die farbige Schilderung fremder Lebensumstände.
Viele Details sind meisterhaft unter Verwendung wechselnder Stilmittel und mit feinsinnigem Humor erzählt. Ein offiziell nicht existierendes Konsulat in dem mysteriösen achten Stockwerk eines Hochhauses auf dem Universitätsplaneten Penta V, die Geschichte der anfangs unterlegenen Zivilisation auf Galdäa, die auf menschliche Hochtechnologie trifft und sich diese aufgrund ihres Intellekts schnell zu eigen macht, oder auch ein bonbonfarbenes, geschwätziges und selbstständig handelndes Raumschiff zeichnen ein Universum voller Sense of Wonder. Dabei bedient sich Karsten Kruschel nicht zuletzt so manch antiquiert anmutendem, originellem Requisit wie etwa einer Telefonzelle oder eines Telegramms als Kommunikationsmittel.
Der galdäische Krieg, letztlich die Folge eines missglückten gentechnischen Experiments, wird durch den Sieg in einer fulminant geschilderten Raumschlacht über die aus den Vilm-Romanen bereits bekannte Goldene Bruderschaft zum zweiten Mal beendet. Wer allerdings die geheimnisvolle Macht ist, die diesen Sieg herbeiführt, beschreibt der von Marcel Reich-Ranicki abgewandelte Brecht-Vers: »Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.«
Herzlichen Glückwunsch im Namen des Preiskomitees an Karsten Kruschel: Zum zweiten Mal nach 2010 Gewinner des Deutschen Science Fiction Preises.
Im Juni 2012
Für das Preiskomitee
Stefan Kuhn