»Das letzte Signal« von Egon Eis
in: Wolfgang Jeschke [Hrsg.], »Das Blei der Zeit«
Heyne, ISBN-10 ?
Seit Monaten verschwinden Raumschiffe der L-Reihe auf dem Weg zur Erforschung eines Sternhaufens – spurlos. Erklärungen für das plötzliche Abbrechen des Funkkontaktes gibt es nicht.
Im Kommandoturm des Raumfahrtzentrums herrscht helle Aufregung. Die Raumfahrt gilt als sicher, die Geheimnisse des Alls als gelöst, der Flug in den Weltraum ist zwar noch mit Anstrengungen verbunden, aber doch langsam zur Routine geworden. Nun aber gibt es diese Pannen.
Technisches und menschliches Versagen können ausgeschlossen werden, auch Sabotage kommt nicht in Frage. „Es gibt keine Geheimnisse des Weltalls…“, behauptet ein Mitglied des Krisenstabs vermessen, und so macht man sich mit Hilfe eines vergreisten Forschers, einer neuartigen Schutzlegierung für den Rettungskreuzer und zweier unerschrockener Astronauten auf den Weg, die verlorenen Schafe heimzuholen.
Das Schiff erreicht die Stelle, an der die anderen verschwanden. Und ein Funkspruch erreicht die Erde: „Es klingt unglaublich, aber ich vermute…“
Was denn? Furchterregende Aliens schleimen den Rettungskreuzer voll… Der Sternhaufen entpuppt sich als lebendes Wesen, das die Raumschiffe zum Mittagessen verspeist… Ein gigantisches schwarzes Loch zieht die Schiffe an und gibt sie nicht mehr frei… Die verschwundenen Raumschiffe sind alle da, und die Besatzungen feiern miteinander eine heiße Party…
Oder?
Der Funkkontakt bricht ab. Ein paar SOS-Signale erreichen die Zentrale. Die Story ist aus.
Der Autor tut etwas, was viele – vor allem angloamerikanische – Autoren vermeiden. Egon Eis nutzt das Genre der Kurzgeschichte, eines literarischen Mediums, in dem es nie zur vollen Beschreibung einer aus eigenen Ideen entstandenen Welt, einer Gesellschaft, einer Philosophie kommen kann, um den Leser auf die Folter zu spannen und zu foppen. Nicht nur daß die ersten Raumschiffe unter mysteriösen Umständen verschwinden, nein, der angloamerikanisch vorgebildete (und durch TV und Kino weiterhin vorbelastete) Leser erwartet nun eine kurz angesetzte Lösung von einer gewissen Intelligenz. Und ganz sicher erwartet er eine Lösung.
Und genau die enthält uns der Autor vor. Für diesen Schritt, der einen Autor fast unbeliebt machen könnte, für diese Idee, die vielleicht die einzige ist, mit der man einen SF-Leser noch überraschen konnte, gebührt ihm unserer Meinung nach der Preis.
Jutta Haitel
– für das Literaturpreiskomitee –