Maria J. Pfannholz:
Den Überlebenden
Die Geschichte der Bayerischen Heimatwehr begann eigentlich erst mit der unseligen Besetzung des Schlosses Neuschwanstein – und das ausgerechnet am 25. August -, und sie fand ihr glückliches Ende mit der Überwältigung dieser RAF in Lederhosen nach der Entführung und Demütigung des bayerischen Landesvaters.
In diesem relativ langen Zeitraum gelang der Heimatwehr lediglich durch die Fügungen des Schicksals kaum eines ihrer abgefeimten Attentate, die sie u.a. auf unseren Rhein-Main-Donau-Kanal und die gesegnete Fronleichnamsprozession ausgeführt hat.
Der Drahtzieher und Kopf der Heimatwehr, Anton Gstettner, der sich im Alltag als Möbeltransporteur tarnte, kam auf seiner waghalsigen Flucht bei einem Sturz in die Krottenbachschlucht auf tragische Weise ums Leben.
So etwa könnte eine Pressenotiz zu den in dem Roman „Den Überlebenden“ geschilderten Ereignissen ausgesehen haben. Er erzählt die Geschichte der Bayerischen Heimatwehr, einer sehr kleinen Gruppe, die der schleichenden Zerstörung ihrer Heimat mit phantasievollen Aktionen entgegenwirken möchte. Dabei wird in ihm der Widerspruch zwischen den Aktionen der „Heimatwehr“ und ihrer Darstellung in der Presse in der Person des Toni Gstettner für den Leser erfahrbar.
Maria Johanna Pfannholz gelingt es, Handlung und Personen so zu entwickeln, daß sie der komplexen Realität ebenso gerecht werden wie den zum Teil existentiellen Gefühlen, die Anton Gstettner empfindet. Sie gibt dem Leser genug Zeit, über das Gelesene nachzudenken, aber sie versucht nicht, dem Leser eine Meinung aufzuzwingen. Trotzdem sind die Schlußfolgerungen eindeutig, sie entspringen einfach der Realität.
Zwei Aspekte verdienen noch besondere Beachtung. Da ist zum einen die Tatsache, daß trotz der männlichen Hauptperson weibliche Aspekte in das Buch eingearbeitet wurden; im letzten Kapitel gelingt der Autorin in einer der ergreifendsten Szenen der deutschen SF, ja der deutschen Literatur der letzten Jahre überhaupt, die Aufhebung dieses Gegensatzes. Zum anderen läßt sich nach „Den Überlebenden“ das literarische Gewicht der bayerischen SF-Autoren – neben Pfannholz vor allem Jeschke, Amery und Zauner – zum im Vergleich dazu kümmerlichen Rest der deutschsprachigen Szene kaum noch verleugnen. Auch hier stellt sie sich vor allem als um die Zukunft des Menschen besorgte Literatur dar.
Selten war das Niveau bei den in die Endauswahl gelangten Romanen so hoch, und selten war die Entscheidung so knapp wie in diesem Jahr. Die Wertung für die beiden erstplazierten Bücher lag bei allen Mitgliedern des Literaturpreiskomitees um höchstens zwei Punkte auseinander.
Mit „Den Überlebenden“ wurde wie im letzten Jahr ein Erstlingswerk einer bislang unbekannten Autorin gegenüber Texten von zum Teil sehr bekannten SF-Schaffenden ausgezeichnet; dadurch wird der spannende Ausgang der Auswertung zugunsten von Maria Johanna Pfannholz relativiert.
Christian Mathioschek
– für das Literaturpreiskomitee –