»Ich fürchte kein Unglück« von Michael K. Iwoleit
Simon, Anfang 30, ist ein Computerspezialist, eine Koryphäe des Jahres 2023. Nach der »2.Revolution der Informationstechnik« ist er maßgeblich daran beteiligt, die »Light Cubes« zur Marktreife zu entwickeln. Doch seelisch ist er ein Krüppel: als 6-jähriger Schuld am Selbstmord seines Vaters, besteht sein einziges Interesse darin, herauszubekommen, woran sein Vater eigentlich gearbeitet hatte. Zwischenmenschliche Beziehungen oder sein Erfolg im Beruf sind ihm völlig gleichgültig.
Eine amour fou mit der Wissenschaftsjournalistin Cynthia wirft ihn aus der bisherigen Lebensbahn. Danach bricht er alle Brücken ab und landet eher zufällig an einem Radioobservatorium in Kanada. Dort werden Unregelmäßigkeiten der kosmischen Hintergrundstrahlung untersucht, ein Gebiet, vom dem Simon keine Ahnung hat; aber auch hier arbeitet man mit den neuen »Light Cubes«, auf die er ja spezialisiert ist.
Kann es wirklich sein, daß die Hintergrundstrahlung ein Signal transportiert, das sich rückwärts durch die Zeit bewegt und von der Erde des 27.Jahrtausends stammt? Simon ist es vorbehalten, die Botschaft zu entschlüsseln, und sie hat etwas mit ihm selbst zu tun…
Michael K. Iwoleit liefert mit dieser Novelle eine gekonnte Mischung aus psychologischer und sozialer Science Fiction ab, angereichert mit ernsthaften Gedanken über die Entwicklung der Informationstechnologie, die aber niemals in »Technobabble« abgleiten und auch für Laien nachvollziehbar bleiben. Er montiert geschickt verschiedene Zeitebenen und bietet lebendige Dialoge, die langatmige Erklärungen ersparen und Einblick in die Persönlichkeit der Figuren geben.
Der Ich-Erzähler wird eingehend charakterisiert, wobei »Seelen-Striptease« und Handlungsfortführung gleichberechtigt nebeneinander stehen. Iwoleit war bisher in der deutschen SF-Szene eher durch kundige Essays zur phantastischen Literatur bekannt als durch Romane und Erzählungen. Es ist selten, daß ein Theoretiker und Kritiker seine strengen Maßstäbe auch selbst in Primärliteratur erfüllen kann; Iwoleit ist dieses Kunststück nun wiederholt gelungen!
Das Komitee freut sich, Michael K. Iwoleit zum zweiten Mal den Deutschen Science Fiction Preis für die beste Kurzgeschichte des Jahres verleihen zu können.
Andreas Kuschke
– für das Preiskomitee –
Juli 2004