Laudatio 2025 Beste deutschsprachige Kurzgeschichte
Deutscher Science-Fiction-Preis 2025
Laudatio beste deutschsprachige Kurzgeschichte 2024:
»Davy ’n‘ Jean« von Gabriele Behrend,
erschienen in »Rock Planet«, p.machinery, ISBN 978 3 95765 404 5
Davy kommt vom Mars zurück. Der einjährige Aufenthalt dort, das Fernsein, es hat ihn verändert und es fällt ihm sehr schwer, darüber zu reden. Einerseits will er nach Hause, »um Jean wiederzusehen, um ihr von den unvorstellbaren Dingen zu berichten, die er erlebt hatte und die aus seiner Seele herausmussten, damit er daran nicht erstickte«. Er ist »übervoll mit der Weite und Leere«, die er auf dem Weg vom Mars zurück in sich angesammelt hat. Andererseits ist für ihn alles auf der Erde klein und nichtig geworden. Er wehrt sich gegen jede oberflächliche Beschreibung seiner Erlebnisse, er möchte sein Erleben für sich behalten, es soll nicht »beschmutzt« werden durch andere. Davy freut sich sehr auf seine Frau Jean, die ihn erwartet, die aber andere Vorstellungen von der gemeinsamen Zukunft mit ihm hat. Sie hat viel für seine Karriere aufgegeben und nun fordert sie die Erfüllung einer Vereinbarung.
Die Kommunikation mit Davy ist schwierig. Die Änderung, die Davy erfahren hat, ist keine oberflächliche, sondern eine tiefe innere, sehr private Erfahrung: »Er konnte nicht teilen, wollte sich nicht mitteilen«. Er scheint unfähig zu näherer menschlicher Beziehung geworden zu sein, er ist voller Distanz und Sprachlosigkeit. Die Stille des Mars hat ihn angeschrien in ihrer Intensität. Jean erkennt, dass er nichts zurückgibt. Stattdessen saugt er ihre Energie in sich auf wie ein Vampir und lässt sie dann leer und ausgehöhlt zurück. Die stillen Abende auf dem Mars haben Davy innerlich berührt: » dieses alte Licht, das aus den Tiefen des Universums seine Finger ausstreckte, um Davys Wangen zu streicheln«. Selbst Jean kann ihn nicht mehr verstehen. Und er versteht sie auch nicht. Davy widersetzt sich dem Kinderwunsch seiner Frau, er kann nicht mehr mit ihr leben, er kann mit keinem Menschen mehr leben.
Die Beziehung der beiden wird sehr einfühlsam beschrieben. Zwei Menschen, die in ihren Vorstellungen hinsichtlich Lebensplanung im wahrsten Sinne des Wortes Welten voneinander entfernt sind, aber letzten Endes mit dem zufrieden sind, was sie erreichen konnten. Das geschilderte Amerikas wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, aber sehr sympathisch. Wie in den sechziger Jahren, nur mit einer E-Corvette.
Gabriele Behrend erzählt eine Geschichte über Wünsche und unterschiedliche Vorstellungen in einer Beziehung. Darum, dass grundlegende Erfahrungen die Kommunikation schwierig oder fast unmöglich machen können. Eine Geschichte über die Größe des Weltalls, die gleichzeitig aufrichtet und niederdrückt; »im Angesicht derartiger Leere und Weite«. Die Geschichte ist geschrieben in einem leichten, schwebenden Stil, den Gabriele Behrend so wunderbar beherrscht, der uns eintauchen lässt in andere Menschen und uns, wenn wir es zulassen, etwas vermittelt: »Er hatte in das Auge der Ewigkeit geblickt und war dort wiedergeboren worden«.
Große Science Fiction macht den Weltraum groß und lässt uns staunen. Dafür braucht es keine Millionen Lichtjahre, die Entfernung zum Mars reicht völlig. Man muss dann nur gut schreiben können. So wie hier.
Aus diesen Gründen freut sich das Komitee, »Davy ’n‘ Jean« von Gabriele Behrend mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis 2025 auszuzeichnen.
Franz Hardt
– für das Preiskomitee –
im September 2025
